Samenbank auf dem Mond: Sein oder gewesen sein
Kommentar – Ein Forscherteam der University of Arizona will der Menschheit eine Arche bauen. In Form einer Samenbank. Auf dem Mond.
Die ernst gemeinten Pläne sind endzeitlich motiviert: Angesichts naturkatastrophaler Folgen des Klimawandels, Artensterbens und anderer menschengemachter Krisen sowie der ständigen Möglichkeit eines Atomkriegs soll die Aussicht auf eine postapokalyptische Wiederansiedlung neue Hoffnung geben.
Alvaro Diaz Flores Caminero, einer der Projektleiter, ist davon überzeugt, dass seine Operation die Menschheit näher an eine nicht allzu ferne Zukunft bringe, in der sie Stützpunkte auf dem Mond und auf dem Mars haben werde. Lediglich 250 Mondflüge müsse man investieren. Was das in Geld bedeutet, lässt sich nur erahnen. Als Annäherung dient ein Vergleich mit der Internationalen Raumstation, für deren Bau 40 Flüge sowie die galaktische Summe von 150 Milliarden US-Dollar nötig waren.
Investitionen in planetare Auswanderungsprojekte sind nicht neu. Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos will eine Basis auf dem Mond errichten. Tesla-Chef Elon Musk hat gar den Mars im Blick, will dort im Jahr 2050 Menschen in einer sich selbst erhaltenden Stadt angesiedelt haben, damit Homo Sapiens die irdische Apokalypse überdauern kann.
Zählt man sich jedoch zu den 99,9 Prozent der Weltbevölkerung, die sich nichts Langweiligeres als ein Leben auf Mond oder Mars vorstellen können, stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb man einer kleinen Gruppe transhumanistischer Fantasten Milliarden für den Bau einer extraterrestrischen Samenbank zur Verfügung stellt, statt mit dem Geld die Rettung der Erde zu finanzieren.
Wer die Rechnung zur Rettung der Menschen ohne den Menschen macht, verrechnet sich. Wenn unsere Gesellschaft nicht lernt, Krisen zu bewältigen, statt vor ihnen zu flüchten, wird sie unseren Heimatplaneten nach der Apokalypse vielleicht ein zweites Mal bevölkern können, allerdings wird sie ihn dann auch ganz sicher ein zweites Mal zu Grunde richten. Aber es stimmt: Investitionen in postapokalyptische Wiederansiedlungsprojekte geben neue Hoffnung für die Zukunft. Genauer gesagt für die Zukunft des Futurums II: Wir werden gewesen sein.