Bloggerin Sophie Scholl: #Widerstand
Bericht – Anlässlich des 100. Geburtstags von Sophie Scholl lassen SWR und BR die Widerstandskämpferin der Weißen Rose als Instagram-Bloggerin wieder aufleben. Seit Anfang Mai können Abonnent:innen auf dem Kanal @ichbinsophiescholl die letzten zehn Monate im Leben der Widerstandskämpferin in Echtzeit mitverfolgen. Der Projektidee liegt die fiktive Prämisse zugrunde, Sophie Scholl hätte in den 40er Jahren ein Smartphone besessen. Einzigartig wird die Serie aber erst durch ihre lange Laufzeit. Scholl wird bis zu ihrer Verhaftung am 18. Februar live aus der Vergangenheit bloggen. »An diesem Tag wird Sophie auf Instagram das letzte Mal posten«, erklärt die Social Media Redaktionsleiterin Suli Kurban. »Wir begleiten sie über Stories, Reels und Fotos also fast ein ganzes Jahr lang.«
Es ist ein Mammutprojekt, das dem Prinzip Micro-Stories auf Instagram zu widersprechen scheint. Doch Kurban ist bekannt für experimentelles Storytelling. Ihre Filme, Hybride und Social-Media-Serien treffen regelmäßig den Zeitgeist. Ein Leben auf dem Handydisplay darzustellen, ist ihr bereits zuvor mit der weltweit ersten Snapchat-Soap erfolgreich gelungen. Auch dieses Mal zeigt sie sich optimistisch, dass die von Pop und Kommerz dominierten Instagram-Feeds durchdrungen und bereichert werden: »Menschen lechzen nach guten Geschichten.« Kurbans Zuversicht scheint nicht weit hergeholt. Schon jetzt zählt der Account fast eine Millionen Abonnent:innen.
Es ist ein neuer Umgang mit Perspektive, Inhalt und Zeitraum, der das Konzept von anderen Kommunikationsstrategien unterscheidet. Laut Kurban helfe die Selfie-Perspektive dabei, dass eine starke emotionale Bindung zur Protagonistin aufgebaut werden könne. Kurban sagt: »Durch die subjektive Erzählweise, in der wir permanent die vierte Wand durchbrechen, sind wir deutlich näher an der Figur als würden wir nach den Regeln eines konventionellen Films spielen.« Inhaltlich brauche es außerdem eine »passende Story, die den Unterschied macht«. Die Redaktionsleiterin ist davon überzeugt, dass »Geschichten, die so facettenreich sind wie die von Sophie« dem Publikum viele Gelegenheiten böten, sich mit ihnen zu identifizieren. Sie spielt damit auf Scholls charakterliche Entwicklung an: »Eine Figur ist erst interessant, wenn sie mehrere Seiten hat. Sonst fehlen die Grautöne. Auch Sophie war ja nicht frei von Widersprüchen.«
Doch erst die lange Laufzeit von zehn Monaten führt dazu, dass aus Storytelling authentisches Story-Experiencing werden kann. Kurban: »Letztlich sind es die täglichen Einblicke, die uns Sophie über einen langen Zeitraum gewährt, die aus einer distanzierten Erzählung ein persönliches Miterleben machen.«