People will forget what you said. People will forget what you did. But people will never forget how you made them feel.
Maya Angelou

The Science of What Makes People Care

Betrachten wir mit gesundem Menschenverstand den gesunden Menschenverstand. Dieser bevorzugt offensichtlich Marken, die ihm ein gutes Gefühl vermitteln, indem sie ihm ermöglicht, eine bessere Version seiner selbst zu sein. Marketeers, die dieses Wissen verinnerlicht haben, verstehen es auch, Kampagnen zu entwerfen, anhand derer ihre Zielgruppen erkennen können, wo sich persönliche Werte mit denen einer Marke überschneiden – und anhand derer sie verstehen, warum ein bestimmtes Markenangebot für sie von Bedeutung ist.

The Science of What Makes Poeple Care ist der Titel einer Publikation aus 2018, in dem sich Ann Christiano und Annie Neimand wissenschaftlich damit beschäftigen, was Menschen bewegt. Anhand disziplinübergreifender Forschungsergebnisse konnten Christiano und Neimand fünf Prinzipien identifizieren, die auch in 2021 aktueller nicht sein könnten, die viel mehr von Jahr zu Jahr relevanter zu werden scheinen, und die ich dementsprechend oft in der täglichen Praxis angewendet habe. Darin erweisen sie sich als pragmatischer Leitfaden für den Aufbau einer Kommunikationsstrategie ebenso wertvoll wie für die anschließende Entwicklung von Marketing-Maßnahmen, die mit erhöhter Wahrscheinlichkeit menschliches Verhalten beeinflussen. Darüber hinaus bedarf die Anwendung der fünf Prinzipien keiner massiven Werbeinvestitionen. Vielmehr bieten sie die Möglichkeit, laufende Maßnahmen effektiver zu gestalten.
Nicht nur, weil man mit der vereinfachten Darstellung von Forschungsergebnissen immer etwas vorsichtig sein sollte, sondern auch, weil er wirklich unterhaltsam geschrieben ist, sei an dieser Stelle unbedingt empfohlen, den kompletten Artikel der beiden Urheberinnen zu lesen.

Principle #1: Join the Community

Es ist kein Geheimnis, dass eine der besten Möglichkeiten, etwas gegen die Klimakrise zu unternehmen, ein stark reduzierter Konsum von Fleisch- und Milchprodukten ist. Obwohl auch Experten bestätigen, dass pflanzliche Kost, die reich an natürlichen Vollwertprodukten ist, am besten für die Gesundheit ist, stellen die meisten Menschen ihre Ernährung nicht um. Den Grund hierfür liefert die Wissenschaft: Informationen über einen Sachverhalt, der zu abstrakt und zu weit weg ist, werden von Menschen entweder ignoriert oder für irrelevant gehalten. Das unmittelbare Verlangen nach alten Gewohnheiten ist einfach zu groß. Eigentlich ist es wie beim Rauchen. Das Risiko, irgendwann an Lungenkrebs zu erkranken scheint genauso weit entfernt wie der eisfreie Arktis-Sommer. Solange noch die theoretische Möglichkeit besteht, dass alles halb so schlimm wird, kratzt es uns Menschen nicht. Ob Marlboro oder Whopper, als Ex-Raucher und Flexitarier kenne ich die Schwierigkeiten beider Entwöhnungen nur allzu gut aus eigener Erfahrung. Was also tun, wenn man Menschen trotzdem dazu bringen will, es zumindest fortwährend zu versuchen, weniger Fleisch und Milchprodukte zu essen?
Zum Beispiel eine Kommunikationsstrategie entwickeln, die an tief verwurzelte Werte und Identitäten überzeugter Karnivoren anknüpft und die Macht hat, Verhaltensweisen über das soziale Umfeld zu beeinflussen. Der Dokumentarfilm The Game Changers zeigt eindrucksvoll, wie das gelingen kann. Am Beispiel von Ausnahmesportlern, Gewichthebern und Bodybuildern untergräbt der Film den Mythos, dass Fleischkonsum entscheidend für den Aufbau eines starken, athletischen Körpers ist. Er zeigt, dass viele der stärksten Frauen und Männer der Welt Veganer sind und dass auch die Zuschauer ihre Fitnessziele durch eine pflanzenbasierte Ernährung erreichen können.

Sorgfälig ausgewählte Opinion Leader können mit der eigenen Verhaltensänderung einen tiefgreifenden Unterschied für das Anliegen einer Marke machen. Mit einem guten Plan, wie ihre Werte und Botschaften vermittelt werden können, lässt sich das Handeln über die Dynamik von Communities beeinflussen.

Bürgerrechtler und großartiger Redner: Martin Luther King Jr. am 28. August 1963 in Washington D.C.

Principle #2: Communicate in Images

Eine Studie der Linguistin Adele Goldberg von der Princeton University legt nahe, dass Metaphern eine »erhöhte Gehirnaktivität in emotionsbezogenen Regionen auslösen können, weil sie auf körperliche Erfahrungen anspielen.« Ein bekanntes Beispiel für den rhetorischen Vorteil von bildhafter Sprache ist Martin Luther King Jr.’s »I Have a Dream«-Rede, die er im Sommer 1963 vor dem Lincoln Memorial hielt. Fast jeder Satz enthält lebhafte Bilder: »Let us not seek to satisfy our thirst for freedom by drinking from the cup of bitterness and hatred.« Oder: »I have a dream that one day in Alabama, with its vicious racists, with its governor having his lips dripping with the words of interposition and nullification, one day right there in Alabama little black boys and black girls will be able to join hands with little white boys and white girls as sisters and brothers.«

Hätte Martin Luther King an jenem Tag abstrakte Konzepte und rationale Argumente genutzt, statt seine Vision mit bildhafter Sprache spürbar zu machen, wäre der 28. August 1963 sicherlich weniger Menschen im Gedächtnis geblieben.

Principle #3: Invoke Emotion with Intention

»I don’t want you to be hopeful, I want you to panic! I want you to feel the fear I feel every day and then I want you to act!« Wahrscheinlich genau wie jeder, der diesen Blogbeitrag liest und das Thema Purpose-Marketing ernst nimmt, bewundere auch ich Greta Thunberg, finde ihr Wirken erstaunlich und kann ihre Wut bestens nachempfinden. Gerade deshalb hätte ich ihr in Bezug auf den eben zitierten Satz gerne geraten, einen anderen Ton anzuschlagen. Kommunikationsexperten wissen, was Christiano und Neimand in ihrem Artikel erneut belegen: Die Tonalität einer Botschaft sollte derselben Intention folgen wie die Emotionen, die man bei Menschen damit auslösen möchte.
Die Autoren nennen Greenpeace als positives Beispiel. Wenn ich an den Spot There’s a Rang-Tan in My Bedroom der Londoner Agentur Mother denke, dann finde auch ich, dass sich im Storytelling der Non-Profit-Umweltorganisation Grundsätzliches verändert hat. Mittlerweile konzentriert sich Greenpeace vermehrt auf Hoffnung als emotionales Transportmittel ihrer Anliegen, statt (wie früher) auf Angst, Wut oder Schuldzuweisungen zu setzen. In einem Auszug ihrer aktuellen Message Strategy heißt es: »
Now, to save the world, we’re going to get a billion other people to smash their own impossibles.« Und weiter: »We will tell stories using language that is optimistic, bold and includes a humorous wink. We will rebel against convention and make beauty in the face of dreary and stale.«

Weil die Verhaltensforschung keinen Zweifel daran lässt, dass Emotionen Menschen zum Handeln bewegen, ist es so elementar wichtig, auf die jeweils effektivesten zu setzen und Storytelling strategisch anzugehen.

Principle #4: Create Meaningful Calls-to-Action

»Der Glaube an die persönliche Wirksamkeit ist der Schlüsselfaktor der menschlichen Handlungsfähigkeit«, schreibt Sozialpsychologe Albert Bandura von der Stanford University. »Wenn Menschen glauben, dass sie keine Macht haben, Ergebnisse zu erzielen, werden sie gar nicht erst versuchen, etwas zu bewirken.« 
Zwei Studien zeigen wie schwer die Verantwortung wiegt, die auf der richtigen Wortwahl lastet. Paul Slovic, Sozialpsychologe an der University of Oregon und Präsident des Decision Science Research Institute fand heraus, dass Menschen eher bereit waren, für ein einziges bedürftiges Kind zu spenden als für eine ganze Gruppe von Kindern. Grund: Mit zunehmender Anzahl von Kindern verringert sich das Gefühl der Wirksamkeit und des Einflusses der Probanden. In einer anderen Studie mit Probanden, denen das wahre Ausmaß von Millionen hungerleidender Kinder nochmal bewußt gemacht wurde, ging die Bereitschaft für Spenden noch deutlicher zurück. Für nur ein einzelnes Kind zu spenden erschien ihnen vor dem Hintergrund der tatsächlichen Größe des Problems effektlos.

Man hat es ja eigentlich schon unzählige Male gehört und weiß, dass Psychologie eine übergeordnete Rolle in der Kommunikationsbranche spielt. Und doch lesen wir überall Handlungsaufforderungen wie »Unterschreiben Sie diese Petition!«, »Folgen Sie uns auf Facebook!«, »Klicken Sie hier für weitere Informationen!« Egal wie häufig Werbetreibende derartige Calls-to-Action wiederholen, sie sagen niemandem, welcher Unterschied dadurch bewirkt werden kann. Sie geben den Menschen das Gefühl, dass ihre Bemühungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Sie inspirieren nicht.

Principle #5: Tell better Stories

Gregory Berns, ein Neurowissenschaftler der Emory University, und seine Kollegen vermuten, dass das Lesen eines Romans neue Verbindungen im Gehirn schafft, die uns noch lange nach Ende der Geschichte an diese zurückdenken lassen. Es wird noch erstaunlicher: Wenn Menschen eine fesselnde Geschichte erleben, gehen sie verändert aus ihr heraus und erinnern sich oft an die beschriebenen Ereignisse und Erfahrungen, als wären es ihre eigenen.

Obwohl Marketeers und Werber die Bedeutung von Storytelling erkannt haben, erzählen die meisten Marken keine wirklichen Geschichten, an denen Zielgruppen teilhaben könnten. Stattdessen verwenden sie Vignetten oder zweckentfremden Reasons-to-Believe und andere rationale Botschaften. Gute Geschichten haben einen Anfang, eine Mitte und ein Ende, sowie eine Handlung, einen Konflikt und eine Auflösung. Vor allem aber geht es in Geschichten um Charaktere, mit denen sich Menschen identifizieren können. Und genau aus diesem Grund dreht sich der Kern eines spannenden Storytelling stets um die eine und wichtigste aller Fragen, warum ein Charakter bestimmte Dinge tut (vgl. Blogbeitrag Netflix: Wieso, Weshalb, Warum). Deshalb steht der Purpose – des Werbers Synonym fürs Warum – am Anfang der kausalen Wertschöpfungskette Purpose-Storytelling-Lovebrand. Marken, die charakterliche und sinnstiftende Elemente nicht in ihr Storystelling einbeziehen, erzählen auch keine Geschichte, mit denen sich Menschen identifizieren, geschweige denn sich ihnen anschließen wollten.

Film: Mother (Greenpeace There’s a Rang-Tan in My Bedroom)